Marokko: Der Kampf der BäuerInnen von Aoulouz
gegen das G1-Projekt
Das G1-Bewässerungsprojekt
(Tropfenbewässerungsnetz) ist ein bundesdeutsches Projekt für die bewässerten
Anbauflächen der Gemeinde Aoulouz. Er wird von einem von der Deutschen Bank an den marokkanischen
Staat gewährten Kredit in Höhe von 400 Millionen Dirham (=36 Millionen €)
unterstützt. Dieses Projekt taugt aber nicht für die Anbauflächen und -sorten
der armen KleinbäuerInnen. Bewässerung über große, hochmoderne
Bewässerungskanäle ist die einzige Möglichkeit, in großen Olivenplantagen
den Ernteertrag zu steigern. Die feudalen Großgrundbesitzer solcher nicht-bewässerten
Ländereien (bur) werden als Einzige von diesem Projekt profitieren, das
dafür den Interessen der KleinbäuerInnen widerspricht, da jene das
Bewässerungswasser nicht bezahlen können. Ziel der Feudalherren ist, zunächst
das Wasser für sich in Anspruch zu nehmen und in der Zukunft die armen
BäuerInnen aus ihrem eigenen
Grundbesitz zu vertreiben und sie zu
LandarbeiterInnen zu machen, die auf denen der Großgrundbesitzer ausgebeutet
werden. Dabei muss betont werden, dass
60% der Flächen, die durch die Quellen von Tafarzazat, Timilt und Targa Ljdid bewässert
werden Domänen- oder Habousländereien [Habous= Tote Hand] sind, so dass
die Landlosen sie verpachten können.
Die armen BäuerInnen von Aoulouz
leiden unter den Überbleibseln des Feudalherrschaft: seit dem Bau des
Staudammes von Aoulouz am Ende der achtziger Jahre werden Anbauflächen, Wasser
und Menschen weiter ausgebeutet, bei fast völliger Tatenlosigkeit der Behörden. Viele Wadiquellen am Fuß des
Staus sind versiegt, es bleiben nur noch drei, die von den Staulecks profitieren. Diese drei Wadis
bewässern 30 Siedlungen (douars); die größten
sind Zaouiat Si Korchi, Targant, Timelt, Tazmourt, Dar Jdida, Tagadirte,
Ait Atass, Tamgoute, Jarda, Aourir und einige weitere im Umkreis von Aoulouz.
Die Leiden der armen BäuerInnen begannen nach dem
Bau des Staudammes, infolge dessen die
Saguia (Bewässerungskanal, Adü)) von Taboumahaout - die an der Saguia von Tafarzazat nächst
gelegene - versiegte.
1.
Der Kampf
um das Recht auf Wasser
Um sich aus der Klemme zu helfen,
hat im Jahre 2001 das regionale Büro für landwirtschaftliche Entwicklung extra
für die armen Landwirte des Aoulouz-Bezirks eine Wasserverbrauchervereinigung
ins Leben gerufen, um die Krise zu bewältigen - einhergehend mit einer Terrorstimmung gegen die armen Bauern
der Saguia von Tafarzazat, die es abgelehnt hatten, sich der Vereinigung anzuschließen.
Da haben die Schutzstruppen das Gemeindehaus
umzingelt, um jede Abwehr zu verhindern, jede Dissidenz zu unterdrücken und
einem möglichen Aufstand vorzubeugen.
Diese Vereinigung war nicht für
alle bestimmt; die neuen Feudalherren haben sie sich unter den Nagel gerissen
und den Zugang der Armen zu diesem Wasser zu Bewässerungszwecken verhindert.
Darauf haben sich einige Bauern an die Justiz gewendet um eine Wiedergutmachung
zu erhalten. Die große Zahl der armen BäuerInnen hat den Ausgang des
gerichtlichen Verfahrens abgewartet.
In den ersten Jahren des Betriebs
fand man den Wasserverbrauch normal, ungeachtet des geforderten Entgelts: 15
Dirham pro Stunde, wobei jeder der 3 Wadis acht Stunden pro Tag die Kanäle
speist, und das das ganze Jahr hindurch. Das sind 2500 Dirham (=225 €) pro Tag,
also ungefähr 100 Millionen Centimes (=90 000€) pro Jahr.
Seit 5 Jahren aber sind die BäuerInnen
der Saguia von Tafarzazat Opfer einer
Ungerechtigkeit, wegen ihrer politischen Meinungen. Nämlich hat der
Bürgermeister sie aufgrund ihrer Stellungnahme bei den Wahlen von 2003
bestraft, indem er das Wasser ihrer Saguia zur Saguia von Taboumahaout - um seine Anhänger zu begünstigen -
umgeleitet und ihnen somit dieses Wasser entzogen hat. Es gipfelte im Agrarjahr
2007/2008, wo dieser Bürgermeister das Naturrecht auf Bewässerungswasser
abgesprochen hat und die Ernten entsprechend verdorrt sind. Da sie kein
Körnchen Weizen, keine Olive mehr ernten konnten- und die Ölbäume außerdem
abzusterben drohten -blieb den BäuerInnen keine andere Wahl, als der Aufstand
gegen die Feudalherrschaft. Da sind sie im März 2008 der Bauerngewerkschaft von
Aoulouz beigetreten, nachdem alle Versuche, einen Dialog mit dem Bürgermeister
anzuknüpfen gescheitert waren und die Behörden sich nicht in der Lage zeigten, eine gerechte Lösung zu
finden infolge des Gewichts der
Feudalherren.
2.
Die
Bauerngewerkschaft redet dazwischen
Da hat die UMT (Marokkanische
Arbeitsunion) dann ein Gespräch mit den Behörden von Taroudant angeknüpft.
Vertreter des Landwirtschaftsministeriums und des Ministeriums sowie der
Wasseragentur des Sous Massa-Drâa nahmen am Gespräch teil. 8 Monate lange
Verhandlungen führten aber zu keinem Ergebnis.
Ein Gericht hat die
Wasserverbrauchervereinigung verurteilt, den BäuerInnen , denen das Wasser
entzogen worden war, 1,17 Million Dirham als Entschädigungsgeld zu zahlen und
ihre Güter beschlagnahmt, darunter ihr Bankkonto, auf dem nur 40 000 Dirham
lagen.
Angesichts der Pleite der
Verreinigung hat deren Vorsitzende - außerdem stellvertretender Bürgermeister
und Bruder des Bürgermeisters - am 22. Juni 2008 eine Generalversammlung
aufgerufen um einen neuen Vorstand zu wählen, der seine Misswirtschaft legitimieren würde
Die BäuerInnngewerkschaft von Aoulouz hat mehrere
Proteste gegen den Bürgermeister von Aoulouz und dessen Bruder - den Vorsitzenden
der Vereinigung organisiert: die erste
fand am 19. April 2008 vor der Unterpräfektur statt, dann
wurde am 9. Mai ein Solidaritätstag mit den BäuerInenn von Tafarszazat
organisiert an dem sich mehrere
Journalisten sowie die Marokkanische Vereinigung für Menschenrechte und marokkanische
Parteien teilnahmen; sie konnten die
Leiden der Bäuerinnen von Tafarzazat
mit den eigenen Augen feststellen. Die
folgende Demo fand am 22. Mai vor dem Bürgermeisteramt statt, während
der Generalversammlung der Beifallsbekundungen, die der Vorsitzende einberufen
hatte, wobei sich die BäuerInnen aus der Vereinigung traten.
In 8 Jahren hat die
Vereinigung ungefähr 700 Millionen Centimes kassiert; davon wurden nur 40
investiert (für den Kauf einer Olivenkelter). Der Rest ist total verraucht. Bei
der Wasserverteilung wurden die Freunde des Vorsitzenden begünstigt, obwohl sie
nicht mal Landwirte waren.
Bei all dem wurde der Vorsitzende von den Behörden
in seinem Amt neu bestätigt.
Dann haben die armen BäuerInnen
von Tafarzazat eine eigene Vereinigung
zur Verwaltung des Wassers und der
Bewässerung gegründet. Die haben die Behörden, das regionale Büro für
landwirtschaftliche Entwicklung sowie die Dienststellen für öffentliche
Einrichtungen und die regionale Wasseragentur benachrichtigt. Sie haben aber keine Bescheinigung für die
Einreichung der Vereinigungsgenehmigung erhalten.
Dann leitete die UMT
Gespräche mit den Behörden ein, die zwei Monate dauerten. Zum Schluss wurde der
Konkurs der Vereinigung festgestellt, sie sollte gelöst und drei neue Vereinigungen
ins Leben gerufen werden- eine für jede Saguia.
Die Inkraftsetzung dieser Entscheidung war auf den Monat September 2008 festgelegt. Aber die Behörden
von Aoulouz und die Verantwortlichen der drei staatlichen Dienststellen konnten
gegen die Feudalherren nichts unternehmen. So eröffnete die Gewerkschaft einen
direkten Dialog mit der Provinz Taroudannt, während 36 Bauern am 11. September
vor dem Gebäude eine Sitzaktion starteten. Die Delegierten der Gewerkschaft
wurden vom Kabinettschef des Gouverneurs mehrmals empfangen, und baten ihn, die Marionettenvereinigung offiziell
aufzulösen.
Bei der letzten
Versammlung - am 23. Oktober 2008 - hatten die Provinzbehörden versprochen, in
der kommenden Woche ein Treffen zu organisieren. Dann kam wieder gar nichts. Da
das neue Agrarjahr schon begann, herrschte bei den immerhin schon gestressten BäuerInnen
große Angst ; die war noch durch die Drohungen der Miliz des Präsidenten
gestärkt, die eine Liste der BäuerInnen aufgestellt hatte, gegen w die gerichtliche Verfahren eingeleitet werden
sollten. An der Spitze stand Mohamed Zarrit, der zu Unrecht des
Wasserdiebstahls in der Saguia Taboumahaout beschuldigt war. Er wurde am 14.
Juli 2008 verhaftet und verbrachte 10 Tage in Haft, bevor er freigesprochen wurde
nachdem seine Unschuld erwiesen worden war.
Dieser Repressionsakt
säte Panik unter den BäuerInnen von
Tafarzazat, wodurch die Situation entflammte. Den Bauern blieb nichts anderes
übrig, als ihren Zorn zum Ausdruck zu bringen. Sie hielten also am 4. November
2008 eine Sitzaktion vor dem Verwaltungsgebäude der Provinzbehörde von Taroudannt
mit der Unterstützung der Marokkanischen Vereinigung für Menschenrechte, der
Gewerkschaften, der politischen Parteien und der Aktivisten. 60 Bauern und
Bäuerinnen verbrachten eine ganze kalte Nacht vor dem Gebäude mit der Bitte,
vom Gouverneur empfangen zu werden, was sie am 5. November um 13 Uhr endlich
erreichten. Dort legten sie ihre Probleme und Forderungen vor. Man einigte sich
auf den 20. November, um den Streit zwischen den BäuerInnen von Tafarzazat und dem Vorsitzenden der
Wasserverbrauchervereinigung zu schlichten.
3.
Kampf gegen
das G1-Projekt
Die einzige Forderung der
BäuerInnen war, sich von dieser Pleite
gegangenen Vereinigung losmachen zu können und ihre Angelegenheiten selber
verwalten zu können über ihre eigenen Vereinigungen.
Im Januar 2009 haben sie
ihre eigene Vereinigung ins Leben gerufen; bis jetzt verwaltet diese die
Bewässerung ihrer Anbauflächen. Die Behörden verweigern aber die Empfangsbescheinigung
ihrer Akten, was eine Verletzung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit
darstellt.
Im April 2010 haben die BäuerInnen
von Timilt ihre eigene Vereinigung mit
Hilfe der Gewerkschaft aufgebaut, was den Behörden missfällt- sie weigern sich
also, die Eingabe zu bescheinigen.
Beide Vereinigungen
kämpfen um das Recht der BäuerInnen, sich selber zu organisieren und verwalten
zugleich die Wasserverteilung.
Nun lehnen die BäuerInnen dieses Projekt ab, weil
es die sozialen und wirtschaftlichen Rechte der verletzt abgelehnt!
Im Dezember
2011 haben die Provinzbehörden von Taroudannt und das regionale Büro für
landwirtschaftliche Entwicklung die Vereinigung von Aoulouz auf illegale Weise
aufgelöst, ohne Tätigkeits- und Finanzbericht und ohne die Ansichten der BäuerInnen zu berücksichtigen. Im April 2013 lanciert die
Landwirtschaftskammer ein Programm für den Aufbau von vier Vereinigungen für
die vier Wadis; darunter sind schon zwei - Targa Ljdid und Taboumhaout – auf bürokratische
Manner aufgestellt. Die BäuerInnen der
anderen zwei- Tafarzazat und Timilt - kämpfen dagegen.
Die ersten Versammlungen
in Tafarzazat und Timilt haben zu keinem Ergebnis geführt infolge des Kampfes
der BäuerInnen gegen dieses
bürokratische Programm. Zwei weitere sind für den 2. und 9. Mai geplant, obwohl
die Bauern dieses Programm boykottieren (nur 60 der 400 Betroffenen haben den
ersten zwei Versammlungen teilgenommen). Die BäuerInnen verteidigen ihr Recht, sich in ihren eigenen
Vereinigungen gegen die Offensive der Feudalherren von Aoulouz zu organisieren,
die vom Pascha, vom regionalen Amt für landwirtschaftliche Entwicklung und von
der Agrarkammer unterstützt werden.
Dank dem Kampf der BäuerInnen
ist das Programm nun stillgelegt. Die
Bauerngewerkschaft und die beiden Bauernvereinigungen kämpfen weiter zusammen
mit den BäuerInnen um ihr Recht auf
Bewässerungswasser und alle sozialen Rechte, die vom Staat garantiert werden
(Frauen- und Kindergesundheit, Ausbildung, Zugang zu Trinkwasser,
Infrastrukturen, Elektrifizierung, Kampf gegen die Korruption und den Raub der
öffentlichen Güter, usw.).
Die Forderungen der BäuerInnen reichen weiter als der genannte Plan
"Grünes Marokko". Dieses Programm zieht die soziale
Marginalisierung der Bäuerinnen, die
aufgehoben werden muss, nicht in Betracht. Die BäuerInnen leben in ihren Siedlungen ohne Infrastrukturen,
im Gesundheitszentrum von Aoulouz fehlt das Personal und das Material, die
Bäuerinnen müssen einen doppelten Arbeitstag – zu Hause auf dem Acker - auf
sich nehmen, und beziehen dabei weder Lohn noch CNSS (Sozialversicherung)
beziehen, ihre Kinder erhalten keine Schulbildung, die Bauernfamilien müssen
schwere Kredite bei der Crédit agricole-Bank nehmen und die ganze Familie
arbeitet, um die Milch einer oder mehrerer Kühe an die sog. Kooperative COPAG zu
verramschen.
Um diese Situation zu ändern, sagen die BäuerInnen,
gibt es nur einen sicheren Weg: um unser Recht auf
öffentliche Güter zu kämpfen.
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