vendredi 7 juin 2013

Marokko: Der Kampf der BäuerInnen von Aoulouz gegen das G1-Projekt



Marokko: Der Kampf der BäuerInnen von Aoulouz gegen das G1-Projekt

Das G1-Bewässerungsprojekt (Tropfenbewässerungsnetz) ist ein bundesdeutsches Projekt für die bewässerten Anbauflächen der Gemeinde Aoulouz. Er wird von einem  von der Deutschen Bank an den marokkanischen Staat gewährten Kredit in Höhe von 400 Millionen Dirham (=36 Millionen €) unterstützt. Dieses Projekt taugt aber nicht für die Anbauflächen und -sorten der armen KleinbäuerInnen. Bewässerung über große, hochmoderne Bewässerungskanäle ist die einzige Möglichkeit, in großen Olivenplantagen den  Ernteertrag zu steigern.  Die feudalen Großgrundbesitzer solcher nicht-bewässerten Ländereien (bur) werden als Einzige von diesem Projekt profitieren, das dafür den Interessen der KleinbäuerInnen widerspricht, da jene das Bewässerungswasser nicht bezahlen können. Ziel der Feudalherren ist, zunächst das Wasser für sich in Anspruch zu nehmen und in der Zukunft die armen BäuerInnen  aus ihrem eigenen Grundbesitz  zu vertreiben und sie zu LandarbeiterInnen zu machen, die auf denen der Großgrundbesitzer ausgebeutet werden.  Dabei muss betont werden, dass 60% der Flächen, die durch die Quellen von Tafarzazat, Timilt und Targa Ljdid bewässert werden Domänen- oder Habousländereien [Habous= Tote Hand] sind, so dass die Landlosen sie verpachten können.



Die armen BäuerInnen von Aoulouz leiden unter den Überbleibseln des Feudalherrschaft: seit dem Bau des Staudammes von Aoulouz am Ende der achtziger Jahre werden Anbauflächen, Wasser und Menschen weiter ausgebeutet, bei fast völliger Tatenlosigkeit  der Behörden. Viele Wadiquellen am Fuß des Staus sind versiegt, es bleiben nur noch drei, die von den  Staulecks profitieren. Diese drei Wadis bewässern 30 Siedlungen  (douars); die  größten  sind Zaouiat Si Korchi, Targant, Timelt, Tazmourt, Dar Jdida, Tagadirte, Ait Atass, Tamgoute, Jarda, Aourir und einige weitere im Umkreis von  Aoulouz.

Die Leiden der armen BäuerInnen begannen nach dem Bau des Staudammes, infolge dessen  die Saguia (Bewässerungskanal, Adü)) von Taboumahaout  - die an der Saguia von Tafarzazat nächst gelegene - versiegte.





1.     Der Kampf um das Recht auf Wasser



Um sich aus der Klemme zu helfen, hat im Jahre 2001 das regionale Büro für landwirtschaftliche Entwicklung extra für die armen Landwirte des Aoulouz-Bezirks eine Wasserverbrauchervereinigung ins Leben gerufen, um die Krise zu bewältigen - einhergehend mit  einer Terrorstimmung gegen die armen Bauern der Saguia von Tafarzazat, die es abgelehnt hatten, sich der Vereinigung  anzuschließen.

Da haben die Schutzstruppen das Gemeindehaus umzingelt, um jede Abwehr zu verhindern, jede Dissidenz zu unterdrücken und einem möglichen Aufstand vorzubeugen.



Diese Vereinigung war nicht für alle bestimmt; die neuen Feudalherren haben sie sich unter den Nagel gerissen und den Zugang der Armen zu diesem Wasser zu Bewässerungszwecken verhindert. Darauf haben sich einige Bauern an die Justiz gewendet um eine Wiedergutmachung zu erhalten. Die große Zahl der armen BäuerInnen hat den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens abgewartet.



In den ersten Jahren des Betriebs fand man den Wasserverbrauch normal, ungeachtet des geforderten Entgelts: 15 Dirham pro Stunde, wobei jeder der 3 Wadis acht Stunden pro Tag die Kanäle speist, und das das ganze Jahr hindurch. Das sind 2500 Dirham (=225 €) pro Tag, also ungefähr 100 Millionen Centimes (=90 000€) pro Jahr.



Seit 5 Jahren aber sind die BäuerInnen  der Saguia von Tafarzazat Opfer einer Ungerechtigkeit, wegen ihrer politischen Meinungen. Nämlich hat der Bürgermeister sie aufgrund ihrer Stellungnahme bei den Wahlen von 2003 bestraft, indem er das Wasser ihrer Saguia zur Saguia von Taboumahaout  - um seine Anhänger zu begünstigen - umgeleitet und ihnen somit dieses Wasser entzogen hat. Es gipfelte im Agrarjahr 2007/2008, wo dieser Bürgermeister das Naturrecht auf Bewässerungswasser abgesprochen hat und die Ernten entsprechend verdorrt sind. Da sie kein Körnchen Weizen, keine Olive mehr ernten konnten- und die Ölbäume außerdem abzusterben drohten -blieb den BäuerInnen keine andere Wahl, als der Aufstand gegen die Feudalherrschaft. Da sind sie im März 2008 der Bauerngewerkschaft von Aoulouz beigetreten, nachdem alle Versuche, einen Dialog mit dem Bürgermeister anzuknüpfen gescheitert waren und die Behörden sich nicht in  der Lage zeigten, eine gerechte Lösung zu finden infolge des  Gewichts der Feudalherren.





2.     Die Bauerngewerkschaft redet dazwischen



Da hat die UMT (Marokkanische Arbeitsunion) dann ein Gespräch mit den Behörden von Taroudant angeknüpft. Vertreter des Landwirtschaftsministeriums und des Ministeriums sowie der Wasseragentur des Sous Massa-Drâa nahmen am Gespräch teil. 8 Monate lange Verhandlungen führten aber zu keinem Ergebnis.



 Ein Gericht hat die Wasserverbrauchervereinigung verurteilt, den BäuerInnen , denen das Wasser entzogen worden war, 1,17 Million Dirham als Entschädigungsgeld zu zahlen und ihre Güter beschlagnahmt, darunter ihr Bankkonto, auf dem nur 40 000 Dirham lagen.



Angesichts der Pleite der Verreinigung hat deren Vorsitzende - außerdem stellvertretender Bürgermeister und Bruder des Bürgermeisters - am 22. Juni 2008 eine Generalversammlung aufgerufen um einen neuen Vorstand zu wählen, der seine Misswirtschaft  legitimieren würde

Die BäuerInnngewerkschaft von Aoulouz hat mehrere Proteste gegen den Bürgermeister von Aoulouz und dessen Bruder - den Vorsitzenden der Vereinigung   organisiert: die erste fand am 19. April 2008 vor der Unterpräfektur statt, dann wurde am 9. Mai ein Solidaritätstag mit den BäuerInenn von Tafarszazat organisiert  an dem sich mehrere Journalisten sowie die Marokkanische Vereinigung für Menschenrechte und marokkanische Parteien teilnahmen; sie konnten die  Leiden der Bäuerinnen von Tafarzazat  mit den eigenen Augen feststellen. Die  folgende Demo fand am 22. Mai vor dem Bürgermeisteramt statt, während der Generalversammlung der Beifallsbekundungen, die der Vorsitzende einberufen hatte, wobei sich die BäuerInnen aus der Vereinigung traten.



In 8 Jahren hat die Vereinigung ungefähr 700 Millionen Centimes kassiert; davon wurden nur 40 investiert (für den Kauf einer Olivenkelter). Der Rest ist total verraucht. Bei der Wasserverteilung wurden die Freunde des Vorsitzenden begünstigt, obwohl sie nicht mal Landwirte waren.

Bei all dem wurde der Vorsitzende von den Behörden in seinem Amt neu bestätigt.



Dann haben die armen BäuerInnen  von Tafarzazat eine eigene Vereinigung zur Verwaltung des  Wassers und der Bewässerung gegründet. Die haben die Behörden, das regionale Büro für landwirtschaftliche Entwicklung sowie die Dienststellen für öffentliche Einrichtungen und die regionale Wasseragentur benachrichtigt.  Sie haben aber keine Bescheinigung für die Einreichung der Vereinigungsgenehmigung erhalten.



Dann leitete die UMT Gespräche mit den Behörden ein, die zwei Monate dauerten. Zum Schluss wurde der Konkurs der Vereinigung festgestellt, sie sollte gelöst und drei neue Vereinigungen ins Leben gerufen werden- eine für jede Saguia.  Die Inkraftsetzung dieser Entscheidung war auf den Monat  September 2008 festgelegt. Aber die Behörden von Aoulouz und die Verantwortlichen der drei staatlichen Dienststellen konnten gegen die Feudalherren nichts unternehmen. So eröffnete die Gewerkschaft einen direkten Dialog mit der Provinz Taroudannt, während 36 Bauern am 11. September vor dem Gebäude eine Sitzaktion starteten. Die Delegierten der Gewerkschaft wurden vom Kabinettschef des Gouverneurs mehrmals empfangen, und baten  ihn, die Marionettenvereinigung offiziell aufzulösen.



Bei der letzten Versammlung - am 23. Oktober 2008 - hatten die Provinzbehörden versprochen, in der kommenden Woche ein Treffen zu organisieren. Dann kam wieder gar nichts. Da das neue Agrarjahr schon begann, herrschte bei den immerhin schon gestressten BäuerInnen große Angst ; die war noch durch die Drohungen der Miliz des Präsidenten gestärkt,  die eine Liste der BäuerInnen  aufgestellt hatte, gegen w die  gerichtliche Verfahren eingeleitet werden sollten. An der Spitze stand Mohamed Zarrit, der zu Unrecht des Wasserdiebstahls in der Saguia Taboumahaout beschuldigt war. Er wurde am 14. Juli 2008 verhaftet und verbrachte 10 Tage in Haft, bevor er freigesprochen wurde nachdem seine Unschuld erwiesen worden war.



Dieser Repressionsakt säte Panik unter den BäuerInnen  von Tafarzazat, wodurch die Situation entflammte. Den Bauern blieb nichts anderes übrig, als ihren Zorn zum Ausdruck zu bringen. Sie hielten also am 4. November 2008 eine Sitzaktion vor dem Verwaltungsgebäude der Provinzbehörde von Taroudannt mit der Unterstützung der Marokkanischen Vereinigung für Menschenrechte, der Gewerkschaften, der politischen Parteien und der Aktivisten. 60 Bauern und Bäuerinnen verbrachten eine ganze kalte Nacht vor dem Gebäude mit der Bitte, vom Gouverneur empfangen zu werden, was sie am 5. November um 13 Uhr endlich erreichten. Dort legten sie ihre Probleme und Forderungen vor. Man einigte sich auf den 20. November, um den Streit zwischen den BäuerInnen  von Tafarzazat und dem Vorsitzenden der Wasserverbrauchervereinigung zu schlichten.



3.     Kampf gegen das G1-Projekt



Die einzige Forderung der BäuerInnen  war, sich von dieser Pleite gegangenen Vereinigung losmachen zu können und ihre Angelegenheiten selber verwalten zu können über ihre eigenen Vereinigungen.



Im Januar 2009 haben sie ihre eigene Vereinigung ins Leben gerufen; bis jetzt verwaltet diese die Bewässerung ihrer Anbauflächen. Die Behörden verweigern aber die Empfangsbescheinigung ihrer Akten, was eine Verletzung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit darstellt.



Im April 2010 haben die BäuerInnen  von Timilt ihre eigene Vereinigung mit Hilfe der Gewerkschaft aufgebaut, was den Behörden missfällt- sie weigern sich also, die Eingabe zu bescheinigen.



Beide Vereinigungen kämpfen um das Recht der BäuerInnen, sich selber zu organisieren und verwalten zugleich die Wasserverteilung.

Nun lehnen die BäuerInnen dieses Projekt ab, weil es die sozialen und wirtschaftlichen Rechte der  verletzt abgelehnt!

 Im Dezember 2011 haben die Provinzbehörden von Taroudannt und das regionale Büro für landwirtschaftliche Entwicklung die Vereinigung von Aoulouz auf illegale Weise aufgelöst, ohne Tätigkeits- und Finanzbericht und ohne die Ansichten  der BäuerInnen  zu berücksichtigen. Im April 2013 lanciert die Landwirtschaftskammer ein Programm für den Aufbau von vier Vereinigungen für die vier Wadis; darunter sind schon zwei - Targa Ljdid und Taboumhaout – auf bürokratische Manner aufgestellt. Die BäuerInnen  der anderen zwei- Tafarzazat und Timilt - kämpfen dagegen.



Die ersten Versammlungen in Tafarzazat und Timilt haben zu keinem Ergebnis geführt infolge des Kampfes der BäuerInnen  gegen dieses bürokratische Programm. Zwei weitere sind für den 2. und 9. Mai geplant, obwohl die Bauern dieses Programm boykottieren (nur 60 der 400 Betroffenen haben den ersten zwei Versammlungen teilgenommen). Die BäuerInnen  verteidigen ihr Recht, sich in ihren eigenen Vereinigungen gegen die Offensive der Feudalherren von Aoulouz zu organisieren, die vom Pascha, vom regionalen Amt für landwirtschaftliche Entwicklung und von der Agrarkammer unterstützt werden.



Dank dem Kampf der BäuerInnen  ist das Programm nun stillgelegt. Die Bauerngewerkschaft und die beiden Bauernvereinigungen kämpfen weiter zusammen mit den BäuerInnen  um ihr Recht auf Bewässerungswasser und alle sozialen Rechte, die vom Staat garantiert werden (Frauen- und Kindergesundheit, Ausbildung, Zugang zu Trinkwasser, Infrastrukturen, Elektrifizierung, Kampf gegen die Korruption und den Raub der öffentlichen Güter, usw.).



 Die Forderungen der BäuerInnen  reichen weiter als der genannte Plan "Grünes Marokko". Dieses Programm zieht die soziale Marginalisierung  der Bäuerinnen, die aufgehoben werden muss, nicht in Betracht. Die BäuerInnen  leben in ihren Siedlungen ohne Infrastrukturen, im Gesundheitszentrum von Aoulouz fehlt das Personal und das Material, die Bäuerinnen müssen einen doppelten Arbeitstag – zu Hause auf dem Acker - auf sich nehmen, und beziehen dabei weder Lohn noch CNSS (Sozialversicherung) beziehen, ihre Kinder erhalten keine Schulbildung, die Bauernfamilien müssen schwere Kredite bei der Crédit agricole-Bank nehmen und die ganze Familie arbeitet, um die Milch einer oder mehrerer Kühe an die sog. Kooperative COPAG zu verramschen.



Um diese Situation zu ändern, sagen die BäuerInnen, gibt es nur  einen sicheren Weg: um unser Recht auf öffentliche Güter zu kämpfen.


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